Der König der Junk Bonds

Wie Michael Milken die Finanzwelt revolutionierte – und daran zerbrach“

Er war der Mann, der die Wall Street in den 1980er-Jahren auf den Kopf stellte. Michael Milken machte aus riskanten Schuldscheinen eine milliardenschwere Maschine, die Unternehmen wachsen ließ und Investoren reicher machte – bis seine Methoden ihn ins Gefängnis brachten. Doch war er wirklich der Bösewicht, für den ihn alle hielten? Seine Geschichte ist ein wilder Ritt durch Gier, Innovation und den Aufstieg einer neuen Finanzära.

In den 1980er-Jahren bebte die Finanzwelt unter einer Revolution, die niemand kommen sah – ausgelöst von einem Mann, der damals kaum jemandem bekannt war: Michael Milken. Von seinem Büro in Beverly Hills aus leitete er eine Bewegung, die die Finanzmärkte für immer verändern sollte. Es war die Geburtsstunde der Junk Bonds, und Milken war ihr Architekt. Er war kein gewöhnlicher Banker; er war ein Visionär, der in den riskantesten Ecken des Marktes Gold sah, wo andere nur Schutt und Asche vermuteten. Doch was sind diese Junk Bonds überhaupt? Und warum sollten sie zu einer der umstrittensten und einflussreichsten Innovationen der Finanzwelt werden?

Um zu verstehen, was Junk Bonds so besonders machte, muss man zunächst begreifen, was Anleihen eigentlich sind. Eine Anleihe ist im Grunde ein Schuldschein. Wenn eine Regierung oder ein Unternehmen Kapital benötigt, aber nicht über genügend eigene Mittel verfügt, können sie sich Geld von Investoren leihen. Im Gegenzug erhalten die Investoren regelmäßige Zinszahlungen und am Ende der Laufzeit den investierten Betrag zurück. Die Kreditwürdigkeit des Emittenten – also desjenigen, der die Anleihe ausgibt – bestimmt, wie sicher oder riskant die Anlage ist. Hoch bewertete Anleihen, sogenannte Investment-Grade-Anleihen, gelten als sicher, während solche mit niedrigen Ratings – die berühmten Junk Bonds – ein höheres Ausfallrisiko bergen, dafür aber auch höhere Zinsen bieten.

Michael Milken erkannte eine Marktlücke. Bis dahin waren Anleihen fast ausschließlich ein Spielfeld für finanzstarke und kreditwürdige Unternehmen oder Staaten. Firmen mit niedrigeren Ratings hatten es schwer, Kapital zu beschaffen. Milken jedoch sah in diesen Unternehmen enormes Potenzial. Er argumentierte, dass die traditionelle Finanzwelt diese Firmen unterschätzte. Sein Vorschlag: Anleger sollten diesen Unternehmen Geld leihen, indem sie ihre Anleihen kaufen, und im Gegenzug höhere Zinsen erhalten, um das Risiko auszugleichen.

Milken war überzeugt, dass sich dieses Risiko in vielen Fällen auszahlen würde. Er baute bei Drexel Burnham Lambert eine High-Yield-Abteilung auf, die sich auf den Handel mit diesen hochverzinslichen Anleihen spezialisierte. Was folgte, war eine Revolution: Institutionelle Anleger wie Pensionsfonds und Versicherungen strömten in den Markt. Warum? Zum einen lockten die hohen Renditen in einer Zeit, in der sichere Anleihen nur mäßige Erträge boten. Zum anderen war Milken ein begnadeter Verkäufer. Er überzeugte Investoren davon, dass ein breites Portfolio aus Junk Bonds das Risiko erheblich streuen könne. Es war eine verführerische Idee: hohe Renditen mit einem kalkulierbaren Risiko.

Doch der Reiz dieser neuen Finanzinstrumente ging weit über die reinen Zahlen hinaus. Junk Bonds ermöglichten Unternehmen, die zuvor keine Finanzierungsmöglichkeiten hatten, Kapital für Wachstum und Expansion aufzunehmen. Eine ganze Welle von Übernahmen und Fusionen wurde durch Milken und seine Anleihen finanziert. Firmen wie Time Warner und Viacom nutzten diese Instrumente, um ihre Geschäftsmodelle zu transformieren. Für Milken war es ein Triumph: Er wurde zum „Junk Bond King“, und seine Abteilung generierte Milliardenumsätze für Drexel.

Doch wo Licht ist, gibt es auch Schatten. Das Risiko von Junk Bonds war real, und es dauerte nicht lange, bis erste Emittenten ihre Zahlungen nicht leisten konnten. Noch gravierender waren jedoch die moralischen und rechtlichen Fragen, die Milken aufwarf. Seine aggressiven Taktiken und die Nähe zu Investoren wie Ivan Boesky, der wegen Insiderhandels verurteilt wurde, weckten das Interesse der Behörden. Milken selbst geriet ins Visier der Justiz. 1989 wurde er angeklagt, und 1990 bekannte er sich in mehreren Punkten schuldig, darunter Insiderhandel und Manipulation des Anleihemarktes. Er wurde zu zehn Jahren Haft verurteilt, von denen er zwei verbüßte, und musste Strafen in Milliardenhöhe zahlen.

Der Fall Milken wurde zum Symbol für die Exzesse und Risiken der Finanzwelt. Drexel Burnham Lambert, einst eine Macht in der Wall Street, ging unter. Doch die Idee der Junk Bonds überlebte. Heute sind sie ein fester Bestandteil des Marktes, und viele Unternehmen nutzen sie weiterhin, um Kapital zu beschaffen. Ihr Reiz liegt in ihrer Fähigkeit, hohe Renditen zu bieten – ein wichtiger Anreiz, besonders in Zeiten niedriger Zinsen. Doch ihre Gefahren bleiben: Ein Anstieg der Zinsen kann ihre Attraktivität schnell mindern, und bei wirtschaftlichem Abschwung steigt die Ausfallquote dramatisch.

Michael Milken hat sich nach seiner Haftzeit neu erfunden. Heute ist er ein engagierter Philanthrop, der sich für Bildung und medizinische Forschung einsetzt. Seine Geschichte bleibt ein faszinierendes Kapitel der Finanzgeschichte, ein Lehrstück über die Kraft von Innovation – und über die Fallstricke von Gier und Hybris.

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